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... es mag an seiner runden gestalt liegen, an seiner farbe, aber auch an seiner bedeutung in der mythologie, dass wir im apfel ein in sich ruhendes, geschlossenes objekt sehen mit viel singularität, ja autorität. ein apfel ist ein bevorzugter gegenstand, ein ding. den dingen sprechen wir eine hervorgehobene bedeutung zu gegenüber zuständen, prozessen, sachverhalten. das ding hat eine individualität, hat substanz, es steht für sich. demensprechend war weltbetrachtung immer zuerst eine betrachtung der dinge, dessen was ist. philosophie war seinsphilophie, onthologie. der kosmos war bevölkert mit wesen und dingen. noch der kampfruf der phänomenologie hiess als philosophisches programm: zurück zu den dingen. aber was ist ein apfel? es ist das produkt eines baumes. der baum hat ihn wachsen lassen. … der baum hat ihn hervorgebracht. hervorgebracht wozu? damit der baum seine samen besser verbreiten kann, als wenn sie nur von den zweigen fielen. der apfel ist ein trick, ein trick zur besseren streuung der samen. worauf es ankommt, sind die kleine schwarzen kerne im inneren, die samen des baumes. um diese kerne bildet der baum eine süsse und farbige fruchtschale, die von den tieren mit wohlgefallen gefressen wird. auf diese weise gelangen die kerne über den verdauungsweg der tiere an irgendeinen stillen ort, weit ausserhalb des einflussbereiches des baumes selbst. der baum entwickelt fast schon mit intelligenz ein produkt von anziehender gestalt, von anziehender farbe und anziehendem verspeisungsangebot, um seinen samen zu verbreiten. der baum, wenn wir ihn befragen, will nicht den apfel als sein, sondern als zerstörung, als frass. so gesehen, ist der apfel nur eine station, eine zwischenstufe in einem längeren funktionszusammenhang, an dessen anfang die blüte steht, an dessen ende aber ein ausgelagerter und mit dünger versehener keim. der apfel ist eine stufe in einer kette von metamorphosen, die allein einem funktionsprinzip dienen, der verbreitung der samen. … es ist nicht falsch eine apfel als ein eindeutiges einzelnes objekt anzusehen. es ist aber auch nicht falsch, den apfel als glied einer funktionskette zu verstehen, welches dazu bestimmt ist, sein sein so rasch wie möglich zu verlieren.                  (otl aicher, analog und digital, der apfel s.150 ff.)

 

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